Die Pfingstnelke

Eine Überlebenskünstlerin im Nationalpark

Pfingstnelken am Bloßenberg im Nationalpark Kellerwald-Edersee (Fotos: Manfred Delpho)

Sie ist hart im Nehmen – die Pfingstnelke, welche alljährlich als Wahrzeichen des Nationalparks Kellerwald-Edersee zur Blütezeit viele Besucher anlockt. Ihr Wuchsort ist der felsige Steilhang des Bloßenbergs an der Banfebucht des Edersees bei Bringhausen.

Extremer könnte ein Pflanzenstandort kaum sein. Hier muss die Pflanze äußerst widrigen Bedingungen trotzen: Hitze, Trockenheit, Wind, starke Erosion, sehr spärlicher Mutterboden.

Und sie muss große Temperaturschwankungen aushalten, im Sommer können an dem exponierten Hang + 60 Grad und im Winter – 20 Grad erreicht werden. Wie kann da eine Pflanze überleben?
Die Polsterpflanze besitzt kleine nadelförmige Blätter, die mit Wachs überzogen und so vor Verdunstung geschützt sind. Außerdem schützen feine Härchen vor Sonneneinstrahlung und Wind. Die stark verzweigten Wurzeln verankern die Pflanze in den kleinsten Felsspalten.

Die Pfingstnelke ist die Stammform unserer Gartennelken. Ihre prächtigen rosafarbenen Blüten sind reich an Nektar und locken zur Bestäubung vor allem Tagschmetterlinge an. Ihren Namen hat sie von der Blütezeit. Pfingsten ist die richtige Zeit, um nachzusehen, ob die Nelken schon blühen. Man kann sich einer Exkursion der Nationalparkverwaltung anschließen oder bis Mitte Juni auf eigene Faust eine Rundwanderung auf der „Bloßenberg-Route“ unternehmen.

Ausgangspunkt ist der Parkplatz am Kirchweg, am Waldrand bei Bringhausen. Gekennzeichnet ist der 3,8 Kilometer lange Rundweg mit einem Nelken-Symbol. Zur Information über diesen Weg und seine Naturschätze hat die Nationalparkverwaltung ein Faltblatt herausgegeben. Berücksichtigt man die Zeit für eine ausgiebige Naturbetrachtung, sollte man für diese Route etwa zwei Stunden einplanen. Sie führt vorbei an einem etwa 140 Jahre alten Eichen-Hutewald, dann ein Stück durch die Feldgemarkung in den Wieseloh-Graben. Hier sollte man darauf achten, ob man eine Köhler-Platte entdeckt, ein runder Platz, auf dem früher mal ein Kohlenmeiler gestanden hat. Interessant ist auch die Blockhalde im unteren Bereich des Tälchens. Seit der Eiszeit ist durch Frost-Sprengung an einem Felsen diese Ansammlung von Steinblöcken entstanden. Auf dem Radweg entlang des Edersees geht es dann in die Banfebucht. Links am Hang darauf achten, wo die Nelkenblüten im Fels aus grauem Tonschiefer leuchten. Vielleicht hat man Glück und entdeckt in diesem Lebensraum auch eine Zauneidechse oder vielleicht sogar eine Schlingnatter. Eine Besonderheit der Insektenwelt ist hier auch der Steppengrashüpfer.
Vorbei führt der Weg dann am ehemaligen Fischhaus Banfe. Es war die Dienstwohnung für Fischereiaufseher der 1922 bis 1924 errichteten Fischzuchtanlage und enthielt zugleich dafür notwendige Einrichtungen.
Ende der 1930er Jahre wurde die Anlage aufgegeben, weil die Banfe und deren Nebenbäche nicht genug Wasser führten. Heute dient das Haus der Nationalparkverwaltung, die es auch saniert hat für ihre Zwecke.
Von einer Wegspinne weiter oben im Tal führt ein Pfad bergan wieder zum Parkplatz.

Die seltene Pfingstnelke ist ein Relikt der nacheiszeitlichen Steppenzeit und eine europaweite Kostbarkeit. Sie kommt nur in Mitteleuropa vor, überwiegend in Deutschland und gilt deshalb als nationale Verantwortungsart. Im Kellerwald erreicht sie ihre nördliche Verbreitungsgrenze. Im Nationalpark hat sie ihr größtes Vorkommen in Hessen. Deshalb wurde vor ein paar Jahren zur Verbesserung ihres Lebensraums eine spektakuläre Aktion durchgeführt. Mit Hilfe eines Hubschraubers wurden im Rahmen des Naturschutzgroßprojekts Kellerwald auf schonende Weise störende Kiefern aus dem Felsenhang entnommen.
Außerhalb des Nationalparks gibt es noch Standorte der Pfingstnelke bei Asel, Hemfurth und an zwei Stellen bei Bad Wildungen.

Wolfgang Lübcke