Vereinsgeschichte

Den Anfang machte die Anraffer Jugendgruppe

Keimzelle des Naturschutzbundes Edertal ist eine Jugendgruppe, die in dem Ederdorf Anraff entstand. Angeregt durch ihren Biologielehrer, Studienrat Eduard Schoof, gründeten am 6. November 1952 einige elf- bis zwölfjährige Schüler eine Jugendgruppe, die zunächst dem Tierschutzverein Bad Wildungen angegliedert war.

Mit viel Eifer, aber unter schwierigen Bedingungen stürzten sich die Jugendlichen auf die praktische Arbeit. Davon zeugt bereits ein Kastenaushang vom 1. Januar 1953:

"Ich bitte, in den nächsten Tagen noch Futter zu besorgen. Es kann gebracht werden: Mohn, Hanf, Raps, Weizen, Hafer und Heu, Sonnenblumenkerne, Schweinenäbel, Rindertalg und ungesalzene Speckschwarten. Weiter bitte ich, Bretter, Leisten, Nägel und Stroh zum Bauen von Fütterungen zu besorgen."

Und so ging es dann beim Bau des ersten Futterhäuschens zu:
"Mit Mühe und Not suchten wir einige alte Bretter zusammen. Auf dem alten Hauklotz im Holzstall ging es an die Arbeit: ein Bodenbrett mit Umrandung, ein Rundholz und schräg darauf gesetzt ein viel zu kleines Brett als Dach. Obendrein war es noch aus Eichenholz, so daß viele Nägel krummgeschlagen wurden. Endlich geschafft! Nun wollten wir es in der Nähe eines Feldgehölzes in einem Weißdornstrauch aufstellen. Aber jetzt fehlte ein Bindfaden zum Befestigen. Da mußte halt einfach das Taschentuch herhalten! Rasch das Futter hinein! Und schon am nächsten Tag gingen wir wieder los, mit den einfachen Ferngläsern bewaffnet, die wir als Weihnachtsgeschenk bekommen hatten, um die gefiederten Freunde' an unserem ersten Futterhaus zu beobachten."

"Die Jugend hat noch Ideale"

 

Da sich der Tierschutzverein vorwiegend Hunden und Katzen widmete, die jugendlichen Mitglieder der Anraffer Gruppe aber Vogelschutz betreiben wollten, beschlossen sie 1956 den Übertritt in den Deutschen Bund für Vogelschutz (DBV), natürlich am Gründungsdatum, dem 6. November. Die Presse berichtete unter dem Titel "Die Jugend hat noch Ideale". Der Landesvorsitzende und damalige Landesforstmeister Weißgerber gratulierte und regte an, von Anraff aus weitere Gruppen zu bilden. Mit Schulfreunden wurde ein Termin in der Bergheimer Schule organisiert. Curt Hartmann von der Bezirksgruppe Nordhessen zeigte am 27. März 1957 zwei Tonfilme. Durch diese Initiative entstand auch in Bergheim eine Jugendgruppe, die bis etwa 1965 existierte. Auch in Böhne, Altwildungen und Affoldern wurden Gruppen gegründet, von denen jedoch nur die in Affoldern längere Zeit bestand. Ab 1958 traten der Anraffer Gruppe Erwachsene als fördernde Mitglieder bei. Die praktische Arbeit wurde jedoch ausschließlich von der Jugendgruppe geleistet. Maximal hatte der Verein 56 Mitglieder, 30 Erwachsene und 26 Jugendliche.

Foto: Walter Meier
Foto: Walter Meier

180 Nistkästen und 25 Winterfütterungen

 

In erster Linie widmeten sich die Jugendlichen der Winterfütterung und der Betreuung von Nistkästen. Diese wurden zunächst selbst gebastelt, später aber vorwiegend Holzbetonnistkästen angeschafft. Insgesamt wurden bis zu 180 Nistkästen betreut. Der Jahresbericht 1957 nennt z. B. die stolze Zahl von 25 Futterstellen. Auch zahlreiche Kunstnester für Mehlschwalben wurden angebracht. Natürlich brauchte man zu alldem Geld. Der Landkreis Waldeck und die Gemeinde Anraff unterstützten deshalb alljährlich die aktive Vogelschutzgruppe. Daß trotzdem des öfteren Ebbe in der Kasse herrschte, zeigt ein Rundschreiben an die "verehrten Mitglieder" im Jahre 1959:

"In Anbetracht des Winterwetters, das uns zu größeren Ausgaben für unsere gefiederten Freunde zwingt, möchten wir Sie bitten, den Jahresbeitrag für das Jahr 1959 im voraus zu begleichen."

Schon damals ging es aber nicht nur um den Vogelschutz, sondern auch um die Vogelkunde. Beobachtungsgänge wurden veranstaltet, die Ergebnisse der Nistkastenkontrollen ausgewertet und Schwalbenzählungen durchgeführt.

 

Nistkasten-Aktion im Roten Berg 1969                                                            (Bilder können durch Anklicken vergrößert werden)

linkes Bild: Antransport der Nistkästen mit einem Handwagen, zweiter von links der spätere Regierungspräsident Dr. Walter Lübcke      rechtes Bild: Anbringung von Nistkästen in einem Fichtenaltholz,  auf der Leiter Walter Lübcke
Fotos: Walter Meier
Foto: Walter Meier
Foto: Walter Meier

Aktive Öffentlichkeitsarbeit

 

Die von Jugendlichen geleitete Gruppe organisierte in einer Zeit, als das Fernsehen noch keine große Rolle spielte, ein regelrechtes Kulturprogramm für das ganze Dorf. Im Winterhalbjahr 1959/60 waren es zehn Veranstaltungen, von einer staatsbürgerlichen Filmreihe, drei Spielfilmen bis hin zu einem Wilhelm-Busch-Abend oder einem Lichtbildervortrag von Eduard Schoof über das Vogelleben an der Eder. Zum Teil trat die Gruppe dabei gemeinsam mit dem Volksbildungswerk als Veranstalter auf.

Aus Anlaß des zehnjährigen Bestehens wurde am 28. Dezember 1962 ein Film über die Arbeit der Gruppe "uraufgeführt". In der Einladung an die Dorfbevölkerung hieß es:

"Dieser Film wurde von dem Naturfotografen Armin Plaß (Giflitz) in Zusammenarbeit mit der Anraffer Vogelschutzgruppe gedreht. Die Filmschauspieler' sind Kinder aus unserem Orte, die Szenen wurden in Anraff und Umgebung gedreht. Der Film ist nicht nur wertvoll, weil er einen Einblick in die praktische Vogelschutzarbeit gibt, sondern auch durch die hervorragenden Naturaufnahmen. "'

Armin Plaß hat diesen Film jahrelang in der Öffentlichkeitsarbeit eingesetzt. Auch mit Hilfe der Presse leistete die Jugendgruppe eine wirksame Öffentlichkeitsarbeit, wie zu den Themen Nistkästen, Schwalbenschutz oder Aufrufe gegen das Abflämmen der Feldraine. Sogar der Hessische Rundfunk fand die Arbeit der Anraffer Jugendlichen berichtenswert.

Kein rascher Erfolg war einem Vorschlag beschieden, der im Jahresbericht 1958 festgehalten ist:

"Um eine aktivere Vogelschutzarbeit zu ermöglichen, haben wir die Bildung einer Kreisarbeitsgemeinschaft für Vogelschutz vorgeschlagen und bereits mit anderen Ortsgruppen im Kreise Waldeck Verbindung aufgenommen." Zur Gründung eines Kreisverbandes kam es aber erst im Jahre 1973.

Foto: Walter Meier
Foto: Walter Meier

Neues Ziel: Biotop- und Artenschutz

 

Ab 1962 ließen die Aktivitäten der Anraffer Gruppe nach, weil einige der rührigsten Mitglieder durch Berufsausbildung oder Wegzug ausfielen. So beschränkte sich die Arbeit hin und wieder auf das Notwendigste wie z. B. das Reinigen der Nistkästen. Doch wenn es galt, setzte sich die Gruppe ein. Dabei zeichnete sich bereits ein Trend weg vom "Futterhäuschen-Vogelschutz" hin zum Biotop- und Artenschutz ab. Dafür zwei Beispiele:

Als Anfang der siebziger Jahre der Schutz der Ederauen diskutiert wurde, Naturschützer gegen die Regulierung des Flusses und einen unkontrollierten Kiesabbau kämpften, meldeten sich die Anraffer Vogelschützer mehrfach zu Wort. Bei einem solchen Thema ging natürlich der Blick über die Gemarkungsgrenzen hinaus. Gleiches gilt für eine Nisthilfenaktion zugunsten der Wasseramsel an den Brücken des Wesetales im Frühjahr 1971. Und 1975 war es dann soweit. Die Anraffer Vogelschutzgruppe dehnte sich auf die 1972 gebildete Großgemeinde Edertal aus, und zwar als Gliederung des Deutschen Bundes für Vogelschutz (DBV) mit dem Namen "Natur- und Vogelschutzgruppe Edertal". Damit wurde zum Ausdruck gebracht, daß die Naturschutzarbeit nun in ihrer ganzen Breite angegangen werden sollte.

Naturschutz in Edertal: 10 Schwerpunkte

 

Wegen der gebotenen Kürze seien beispielhaft zehn Schwerpunkte genannt:

• Betreuung und Pflege zahlreicher Naturschutzflächen (z. B. Feuchtwiesen, Trockenrasen oder Streuobstwiesen)
• Betreuung der örtlichen Naturschutzgebiete
• Schaffung von Lebensräumen, wie z. B. Anlage von Kleingewässern oder Regenerierung von Altwässern der Eder
• Artenschutzprogramm (z. B. für Laubfrosch, Wasseramsel, Schleiereule oder Fledermäuse)
• Amphibienschutzzäune bei Anraff, Bringhausen und Gellershausen
• Pflege von Hecken, Obstbäumen oder Kopfweiden
• Schaffung eines Biotopverbundsystems in Böhne
• Vertreten der Naturschutzbelange bei Behördenterminen und Erstellen von Fachgutachten
• Erfassen von Tier- und Pflanzenvorkommen als Grundlagendaten für den praktischen Naturschutz
• Angebot naturkundlicher Wanderungen und Vorträge für Einheimische und Gäste.

Neuer Name: Naturschutzbund (NABU)

 

Weil es längst eine Selbstverständlichkeit geworden ist, sich aller Naturschutzaufgaben anzunehmen, die ehrenamtlich zu lösen sind, war es für die Edertaler Naturschützer keine Frage, dies 1991 durch eine nochmalige Namensänderung zu dokumentieren. Aus der Natur und Vogelschutzgruppe wurde der Naturschutzbund Edertal. Er gehört somit zu dem größten und ältesten deutschen Naturschutzverband, vormals Deutscher Bund für Vogelschutz (seit 1899), der heute unter der Bezeichnung Naturschutzbund Deutschland mit mehr als 720.000 Mitgliedern ein überparteilicher Zusammenschluß von Menschen ist, die für den Schutz ihrer Umwelt einen konkreten Beitrag leisten wollen.
 

Die Vorsitzenden des Naturschutzbundes Edertal

 

1952-1956: Karl Sperner und Wolfgang Lübcke,

1956-1959: Wolfgang Lübcke,

1959-1960: Erwin Gottschalk,

1960-1968: Karl Sperner,

1968-1969: Bernd Lübcke,

1969-1987: Walter Meier,

1987-2016: Wolfgang Lübcke,

seit Dezember 2016: Markus Jungermann