Die Schilffläche bei Kleinern

Ein Lebensraum mit interessanter Geschichte

Schilfbestände sind im Kreis Waldeck-Frankenberg relativ selten. Die Fläche an der Bathildisquelle von Kleinern ist eine der größten im gesamten Kreisgebiet. Das hat eine Kartierung dieses Lebensraums durch die Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) ergeben. Wie mag dieser Schilfkomplex entstanden sein?

In der Nähe befand sich früher ein Eisenhammer, der Obere Hammer, von dem noch das nahe gelegene Wohnhaus erhalten ist. Eisenhämmer waren Handwerksbetriebe, die in vorindustrieller Zeit Schmiedeeisen für Gebrauchsgegenstände herstellten. Ein riesiger Hammer, der dafür eingesetzt wurde, konnte nicht mit Muskelkraft, sondern nur mit Wasserkraft bewegt werden. Das Wasser zum Antrieb des Mühlrads wurde von der Wese her zugeleitet. Da diese im Sommer bisweilen wenig Wasser führt, hatte man einen Teich als Wasserreserve angelegt.


Dieser ist in einer Katasterkarte aus dem Jahr 1750 eingezeichnet, die im Ortssippenbuch von Kleinern abgebildet ist.  Auf dem breiten Damm war ein Garten angelegt worden, den der Hammerschmied bewirtschaftete. An diesen
Hammerteich erinnert noch die alte Flurbezeichnung „Überm Hammerteiche“.


Nachdem der Hammer 1865 Konkurs anmelden musste, wurde der Hammerteich nicht mehr benötigt und verlandete. Zwischen Schilfstängeln setzte sich Schlamm ab und so verschwand nach und nach die Wasserfläche.

Heute zählt das Schilfgebiet mit den angrenzenden Feuchtwiesen zu den wertvollsten Naturdenkmälern im Kreis Waldeck-Frankenberg. Es wurde zusammen mit den drei Mineralquellen von Kleinern und angrenzendem Grünland im Jahr 2017 von der NABU-Stiftung Hessisches Naturerbe erworben.


Im Schilf herrscht reges tierisches Leben. Insekten halten sich gern in dessen windstillen Räumen auf und locken nahrungssuchende Vögel an.


Als bemerkenswerte Vogelarten brüten hier Feldschwirl und Rohrammer. Die angrenzenden Feuchtwiesen sind zum Beispiel Lebensraum für den Grasfrosch, der in dem alten Mühlgraben seinen Laichplatz hat. Im Bereich
des Naturdenkmals wurden sechs verschiedene Heuschreckenarten festgestellt, darunter der Sumpfgrashüpfer, dessen Überleben nur durch den Erhalt von Feuchtwiesen gesichert werden kann.

Besonders wertvoll ist die Wiese südwestlich der Bathildisquelle. Es handelt sich um ein artesisches Quellmoor, in dem Wasser durch einen Überdruck des Grundwassers aufsteigt. Fachlich ist diese Wiese auch als Kalk-Flachmoor einzustufen. Hier wachsen seltene Pflanzen wie die Orchidee Breitblättriges Knabenkraut, das Schmalblättrige Wollgras, Zittergras, Sumpf-Dreizack und das Einspelzige Sumpfried, das in Waldeck-Frankenberg vom Aussterben bedroht ist. Die naturschutzgerechte Pflege dieser Wiese ist deshalb ein vordringliches Anliegen der Stiftung.

Zuwegung zur Bathildisquelle und zum Schilfgebiet:
Am Ortseingang des Dorfes von Giflitz her kommend vor dem Aussiedlerhof links abbiegen.

 


Wo schwere Hämmer auf den Amboss pochen

Wer einen Eindruck gewinnen möchte, wie ein Eisenhammer funktioniert, kann das bei einem Besuch im Freilichtmuseum Hessenpark bei Neu-Ansbach tun. Hier ist der historische Hammer aus dem Battenberger Eisenwerk Auhammer ausgestellt, angetrieben durch ein oberschlächtiges Mühlrad.


Empfehlenswert ist auch ein Besuch an originalem Standort in der Schauanlage Tobiashammer im Thüringer Ohrdruf.


Und schließlich gibt es ein Funktionsmodell eines Eisenhammers am Rommershäuser Hammer im Schwalm-Eder-Kreis unweit der Burgruine Schönstein, das man bei einer Wanderung auf dem Kellerwaldsteig besuchen kann.
Neben dem Oberen Hammer existierte bei Kleinern der Untere Hammer, auch Sensenhammer genannt, weil dort Blech für Sensen hergestellt wurde. Dieser befand sich im Wesetal an der Gemarkungsgrenze zu Giflitz. Auch dort kann man auf Spurensuche gehen. Zu erkennen ist noch der Verlauf des einstigen Mühlgrabens und eine Abraumhalde.

Wolfgang Lübcke

 

Wollgras an der Bathildisquelle, Foto: Wolfgang Lübcke                       Breitblättriges Knabenkraut, Foto: Walter Meier