Der Nationalpark Kellerwald-Edersee

Nach jahrelangen Diskussionen und Auseinandersetzungen entstand zum 1. Januar 2004 der Nationalpark Kellerwald-Edersee, damals mit gut 57 qkm der zweit kleinste Nationalpark in Deutschland. Aber er war der erste, der Die Zertifizierung der Weltnaturschutzorganisation (IUCN) erhielt. Kriterium für diese Auszeichnung ist, dass mindestens 75 % der Fläche nutzungsfrei sind, Der Nationalpark Kellerwald-Edersee erreichte sogar über 90%. Ein immer noch zu we-nig gewürdigtes "Adelsprädikat" war dann die Einstufung eines 1467 großen Kernbereichs als Weltnaturerbe durch die UNESCO zusammen mit vier anderen Walgebieten in Deutschland. Somit gehört der Kellerwald zu dem großen transnationalen Verbund "Alte Buchenwälder und Buchenurwälder der Karpaten und anderer Regionen Europas". Die bald in der Region Anerkannte gute Arbeit des Nationalparks zahlte sich aus. Denn recht geräuschlos und in bemer-kenswert kurzer Zeit gelang schließlich im Oktober 2020 die Vergrößerung des Nationalparks um rund 1950 auf nun 7688 ha. Somit ist er etwas so groß wie-der 75 qkm große Nationalpark Hainich in Thüringen.

 

Durch die Erweiterung umgibt der Nationalpark Kellerwald-Edersee nun fast den ganzen Edersee und sein Name ist so treffender geworden. Naturschutzfachlich sind die naturnahen Hangwälder nördlich des Edersees ein großer Gewinn, zum einen für die Vielfalt der Lebensräume und den Artenreichtum, aber auch, weil hier mit rund 150 ha einige der wenigen Urwaldreste in Deutschland zu finden sind. Der 68  km lange Urwaldsteig verläuft jetzt fast ganz durch den Nationalpark und verbindet diese Kostbarkeiten. Am bekanntesten ist sicher die Kahle Hardt bei Scheid am Edersee mit ihren uralten, knorrigen Traubeneichen, ein besonders schutzwürdiger Wald von nationaler Bedeutung.

 

Durch ein Waldfenster auf den Nationalpark geschaut, Foto: Manfred Delpho
Durch ein Waldfenster auf den Nationalpark geschaut, Foto: Manfred Delpho

Der Nationalpark Kellerwald-Edersee ist eines der letzten unzerschnittenen, naturnahen Waldgebiete in Deutschland mit einem hohen Laubwaldanteil. Große Bereiche bestehen aus bodensaurem Hainsimsen-Buchenwald bestockt.
Hier finden sich die größten alten Buchenbestände in Hessen. Im alten Parkteil sind 47% der Holzbodenfläche mit über 120 Jahre alten Buchenbeständen bestockt. Zur biologischen Vielfalt tragen aber auch etliche Sonderstandorte bei wie zum Beispiel die Blockhalden, etwa 1000 Quellen, naturbelassene Bachläufe, Wiesentäler mit wertvollen Grünlandgesellschaften und schließlich die Driescher als Rodungsinseln mittelalterlicher Siedlungsplätze.

 

Werden und Vergehen im Buchenaltholz Ruhlauber, Foto: Manfred Delpho
Werden und Vergehen im Buchenaltholz Ruhlauber, Foto: Manfred Delpho

Nicht zuletzt den Sonderstandorten verdankt der Nationalpark seine erstaunliche Artenvielfalt, die inzwischen schon recht gut erforscht ist.

Dazu können hier nur schlaglichtartig einige Beispiele genannt werden:
Im Rahmen der Grunddatenerfassung wurden 617 Großpilzarten gefunden, darunter elf  Naturnähezeiger wie zum Beispiel der Buchen-Stachelbart.
Durch das Erweiterungsgebiet ist in der Käferfauna die Zahl der Urwaldreliktarten auf 29 gestiegen.
Recht  gut untersucht sind auch die Spechte als Naturwaldindikatoren. So wurden im Jahr 2020 sage und schreibe im  alten Teil des Parks 33 Schwarzspecht-Reviere kartiert., wovon viele Folgenutzer profitieren. Stellvertretend sei die Hohltaube genannt, deren Revierzahl aufgrund der dokumentierten Daten mit 80 bis 100 angegeben werden kann. Eine Zeigerart im Buchenwald ist der Waldlaubsänger, der beachtliche Zahlen aufweist, wie die Kartierung auf Probeflächen gezeigt hat.
Geradezu sensationell sind die drei Schwarzstorchbrutpaare, die 2020 nachgewiesen werden konnten. Auch die Siedlungsdichte des Rotmilans war 2021 mit neun Brutpaaren und zwei weiteren im Randbereich erstaunlich hoch. Die Gesamtzahl der Rotmilan-Paare im Nationalpark wird auf 12 bis 13 geschätzt.
Langjährig untersucht sind die Fledermäuse, darunter Besonderheiten wie Bechstein- und Mopsfledermaus. Der Nachweis einer Wochenstube der Großen Bartfledermaus war der erste für Hessen.
Seit dem Winter 2006/07 wurden die Wildkatzen im Nationalpark mit Hilfe von Baldrian-Köderstöcken untersucht. Bis hin zum Jahr 2020 ergab sich eine deutlich erhöhte Nachweisdichte.

 

Wolfgang Lübcke